Warum nicht jede Blasenentzündung ein Antibiotikum braucht
Laut der Empfehlung von smarter medicine / Choosing Wisely soll man bei einer unkomplizierten Blasenentzündung (d.h. es liegen keine Komplikationen oder Risikofaktoren für Komplikationen vor) und bei zufällig entdeckten Bakterien im Urin nicht routinemässig Antibiotika einnehmen. Dies gilt unabhängig vom Alter. Erfahren Sie, was das konkret für Sie bedeutet.

Risikogruppen und
häufig Betroffene
Bei einer Blasenentzündung liegt eine Entzündung der Harnblase vor. Dies ist eine häufige Erkrankung und betrifft meistens jüngere Frauen. Es gibt aber auch Blasenentzündungen bei älteren Personen oder bei Männern. Bei Personen ohne Risikofaktoren für Komplikationen spricht man von einer unkomplizierten Blasenentzündung.

Typische Beschwerden
Eine Blasenentzündung äussert sich immer mit Beschwerden. Zu den häufigsten Beschwerden gehören schmerzhaftes und häufiges Wasserlassen und Blut im Urin. Zur Bestätigung kann ein Urinstreifentest durchgeführt werden. Fieber und Flankenschmerzen können auf Komplikationen hinweisen. Die Therapie hängt von der Art der Blasenentzündung und vom Patienten / von der Patientin ab.

Risikofaktoren und Komplikationen
Risikofaktoren für Komplikationen sind:
Schwangerschaft, Veränderungen des Harntrakts (z.B. Blasensenkung, Fehlbildungen), Nierenfunktionsstörungen, Krankheiten, die eine Blasenentzündung begünstigen können (z.B. Diabetes mellitus), öfter als 2x/Jahr eine Blasenentzündung, Hospitalisation in den letzten 3 Monaten, Bevorstehen eines urologischen / gynäkologischen Eingriffs, Tragen eines Dauerkatheters, Männliches Geschlecht
Mögliche Komplikationen einer Blasenentzündung:
Ausweitung der Entzündung auf das Nierenbecken, Ausweitung der Entzündung in das Blut.
Wogegen sind Antibiotika wirksam?
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Jede Form von Entzündung
Infektionen mit Bakterien
Antibiotika sind Medikamente, die sich gegen Bakterien richten. Gegen Infektionen mit Pilzen oder Viren sind Antibiotika nicht wirksam.
Infektionen mit Viren
Infektionen mit Pilzen

Eine Blasenentzündung braucht meist nur ein Antibiotikum, wenn das Risiko für Komplikationen erhöht ist. Ohne Risikofaktoren für Komplikationen heilt eine Blasenentzündung in 50-70% von selbst ab. Nur bei 1-3% kommt es zu Komplikationen, die dann mit einem Antibiotikum behandelt werden müssen.
Vor- und Nachteile
…bei einer Blasenentzündung
auf ein Antibiotikum zu verzichten
Reduktion des Antibiotikagebrauchs
Reduktion der Resistenzbildung von Bakterien
Vermeidung von möglichen Antibiotikanebenwirkungen (Bauchschmerzen, Durchfall, Darmentzündung, Scheidenpilz)
Vermeidung von Medikamentenwechselwirkungen
Ca. 2 Tage länger Beschwerden (ca. 4 statt 2 Tage)
1-3% Risiko für Komplikationen
Blasenentzündungen
vorbeugen
Ausreichende Trinkmenge
Die optimale Trinkmenge ist individuell. Grundsätzlich sollte man so viel Wasser trinken (ca. 1.5 - 2 Liter pro Tag), dass ein klarer Urin ausgeschieden wird.
Geeignete Verhütungsmethoden
Vermeiden Sie Verhütungsmethoden, die das Risiko für Blasenentzündungen erhöhen (z.B. Diaphragma, Spermizide) und gehen Sie direkt nach dem Geschlechtsverkehr wasserlassen.
Kein «Wasserhalten»
Je länger man das «Wasser in der Harnblase hält», desto eher können sich darin enthaltene Bakterien vermehren und festsetzen. Bei Harndrang sollte man also nicht zu lange warten, bis man zur Toilette geht.
Korrekte Intimhygiene
Es ist wichtig, die natürlichen Schutzmechanismen zu schonen. Eine äusserliche Reinigung mit Wasser ist ausreichend. Verwenden Sie keine Seifen oder Duschgels, sondern höchstens Intim-Waschlotionen.

Bei meiner letzten Blasenentzündung habe ich gemeinsam mit meiner Hausärztin entschieden, vorerst auf ein Antibiotikum zu verzichten. Durch entzündungshemmende Schmerzmittel (Ibuprofen) und eine ausreichende Trinkmenge haben meine Beschwerden innert 2 Tagen abgenommen.
FAQ
Was sind zufällig entdeckte Bakterien im Urin?
Bei zufällig entdeckten Bakterien im Urin handelt es sich um eine sogenannte asymptomatische (=keine Symptome) Bakteriurie (=Bakterien im Urin). Ohne Beschwerden sind diese Bakterien im Urin bedeutungslos und ungefährlich. Sie können durch eine falsche Urinabgabe von der Haut oder dem Verdauungstrakt in die Probe gelangt sein. Deswegen sollte man den Urin nicht auf Bakterien testen, wenn keine Beschwerden passend zu einer Blasenentzündung vorliegen. Ausnahmen bilden die Schwangerschaft oder das Bevorstehen eines gynäkologischen oder urologischen Eingriffs.
Was sind die Probleme von unnötigem Antibiotikagebrauch?
Resistenzbildung:
Durch Antibiotikaresistenzen sprechen Bakterien nicht mehr auf Antibiotika an. Bei einer nächsten bakteriellen Infektion (unabhängig von der Lokalisation) sind die gängigen Antibiotika also möglicherweise nicht mehr wirksam. Je höher der Antibiotikagebrauch, desto höher das Risiko für Resistenzbildungen.
Antibiotikanebenwirkungen:
Antibiotika zerstören die natürliche Bakterienbesiedlung im Körper. Diese hat für uns eine schützende, gesundheitsfördernde Funktion. Sie umfasst zehn Mal mehr Bakterien (1014 = 100 Billionen) als die Anzahl unserer körpereigenen Zellen (1013 = 10 Billionen). Dies kann zu Beschwerden wie Durchfall bis zu schweren Darminfektionen führen.
Medikamentenwechselwirkungen:
Antibiotika können Einfluss auf die (Neben-)Wirkung anderer Medikamente (inkl. «Pille»), die Sie einnehmen, haben. Die Wirkung dieser Medikamente kann abgeschwächt oder verstärkt werden. Dies könnte zu Komplikationen führen.
Zusammenfassung
Ohne Risikofaktoren oder Hinweise für Komplikationen kann der Verlauf einer Blasenentzündung für 2 Tage beobachtet werden. Eine ausreichende Trinkmenge und entzündungshemmende Schmerzmittel können die Beschwerden lindern. Bei Fieber (ab 38.3°C), Flankenschmerzen, Verschlechterung des Zustandes oder ausbleibender Besserung nach 48h sollten Sie Ihren Hausarzt / Ihre Hausärztin kontaktieren.
Bei Risikofaktoren für Komplikationen wird empfohlen, dass Sie Ihren Hausarzt / Ihre Hausärztin aufsuchen. Sie können gemeinsam besprechen, welches weitere Vorgehen sinnvoll ist.
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Besprechung mit Ihrem
Hausarzt / Ihrer Hausärztin
Besprechen Sie Ihre Überlegungen, Fragen oder Unklarheiten immer mit Ihrem Hausarzt / Ihrer Hausärztin. Gehen Sie, wenn möglich, gut informiert und vorbereitet zur Konsultation.